Hans Berkner

Mein Vater Hans – Ulrich Berkner

Ein interessantes Leben

zusammengestellt von Friedrich Berkner
mit seinem Vater im Dezember 2002

Hans Berkner

Hans Berkner

Geboren 03.05.1908 im Kaiserreich in Königsberg in der Neumark (Mark Brandenburg), dem heutigen polnischen Choijna. 1914 mit den Eltern nach Breslau (heute Wroclaw) übersiedelt, wo der Vater eine Professur annahm. Dort Besuch des Maria-Magdalena Realgymnasiums und zwischenzeitlich des Realgymnasiums „Der Zwinger“.

Klassenkamerad von Ernst Eduard vom Rath.                                                                                   Siehe zu ihm Meyers Lexikon: Reichspogromnacht (Kristallnacht, Reichskristallnacht), auf Initiative von J. Goebbels zurückgehender und von Angehörigen der NSDAP und der SA veranstalteter Pogrom in der Nacht vom 9. zum 10. 11. 1938, in dessen Verlauf 91 Juden ermordet und fast alle Synagogen sowie mehr als 7.000 in jüd. Besitz befindl. Geschäfte im Gebiet des Dt. Reichs zerstört oder schwer beschädigt wurden.                                                 Anlass war das Attentat auf den Sekretär der dt. Botschaft in Paris, Ernst Eduard vom Rath (*1909, † 1938), durch Herschel Grynszpan (*1911, † [verschollen] 1942) am 7. 11. 1938. Die nat.-soz. Führung nahm dies zum Anlass, mit massiver Gewalt, zeitweiliger Einweisung von rd. 30.000 Juden in Konzentrationslager und Auferlegung einer Sondersteuer in Höhe von 1 Mrd. Reichsmark, ihre jüd. Mitbürger zur Emigration zu zwingen.

Kurz nach Beginn des ersten öffentlichen Rundfunksenders „VOX“ in Berlin Anfang Oktober 1923 wurde anlässlich der Herbstmesse in Breslau von Geschäftsleuten ein Sender installiert und nach der Messe mit der „Schlesischen Funkstunde“ privat   w e i t e r   betrieben. Auch wenn das einige heutige „Historiker“  anzweifeln und es anders bzw. besser wissen wollen!

Hans Berkner besuchte mit drei Klassenkameraden diese Ausstellung und hörte dort ein Musikprogramm. Die Vier waren davon fasziniert und beschlossen sofort nach Besuch der Ausstellung, sich einen sog. „Detektor“ als Empfangsgerät selber zu bauen. Alle Vier schafften dies unabhängig voneinander. „Rundfunk“ hören konnten Sie jedoch während der Woche nur in der Schule, da nur vormittags einige Stunden gesendet wurde. So wurden Sie zu den ersten „Schwarzhörern“ des Deutschen Reichs, ca. drei Wochen nach Start der ersten öffentlichen Rundfunksendungen. Im Realgymnasium „Der Zwinger“ am Schlossplatz in Breslau, gegenüber dem Stadttheater, hörten die Vier illegal während der Schulzeit. Sie bauten sich dazu eine Empfangsanlage ins Klassenzimmer .

Nach einiger Zeit offenbarten sich die 15 jährigen dem Physiklehrer. Der war begeistert, die Direktion wurde informiert. Die Anlage wurde in der Aula der Schule aufgebaut und so fand Ende 1923 in Breslau durch meinen Vater und seine Klassenkameraden die erste Übertragung einer Rundfunksendung in einer deutschen Schule statt. Alle Schüler, das gesamte Lehrerkollegium und der Direktor durften kurz in einen Kopfhörer hineinhören. Dieses Ereignis bestimmte fortan das Leben meines Vaters.

Bereits Ende 1923 baute er seinen ersten Rundfunkempfänger. Anfang 1924 erwarb er eine offizielle Lizenz zum Empfang von Rundfunksendungen. Mein Vater war also nicht nur einer der ersten „Schwarzhörer“, sondern gehörte zu den ersten 5.000 offiziellen Rundfunkhörern des Deutschen Reichs.

1927 – Juni 1933 Studium der  E l e k t r o t e c h n i k  in Breslau. Dabei Beschäftigung mit dem Funkwesen. Thema der D i p l o m a r b e i t : „Die Abhängigkeit der Feldstärke von der Sendeenergie“

Ab 1930 Mitglied im Verein für Raumschifffahrt von Prof. Oberth

Siehe hierzu Meyers Lexikon:
Oberth, Hermann, (* Hermannstadt, Siebenbürgen 25. 6. 1894, † Nürnberg 28. 12. 1989), dt. Physiker österr.-ungar. Herkunft. Seine Forschungen trugen entscheidend zur Entwicklung der Raketentechnik und Raumfahrt bei; hatte wesentl. Anteil an der Entwicklung der V2-Rakete. Die Entwicklung der Raketentechnik wurde vor und während des 2. Weltkriegs u.a. in Deutschland vorangetrieben (R. Nebel, W. von Braun, H. Oberth, Johannes Winkler , Walter Dornberger u.a.). Sie verlagerte sich nach dem Krieg im Wesentl. auf die USA und die Sowjetunion.

28.6.1933 Erwerb einer Sendelizenz zum Betrieb einer Sendestation. Zur gleichen Zeit Diplomabschluss und Eintritt als Hilfsassistent im Inst. für Elektrotechnik der Universität Breslau bei Prof. Büge. Dort trotz Verbots der Alliierten illegale Beschäftigung mit Funk und Aussenden von elektromagnetischen Wellen (Vorarbeiten für die illegale Aufrüstung der Reichswehr).

Siehe hierzu Meyers Lexikon:
Reichswehr, amtl. Bez. für die Streitkräfte des Dt. Reichs 1921 – 1935 (1918-21: Vorläufige R.). Den Oberbefehl über die R. hatte der Reichs-Präs., die Befehlsgewalt übte der Reichswehrminister aus. Die durch den Versailler Vertrag nach Art und Umfang begrenzte Bewaffnung (115.500 Mann einschließlich Marine) und Ausrüstung versuchte die Reichswehrführung durch geheime Aufrüstung (Schwarze R.) zu verbessern.

Ab Mitte 1933 Beginn der Versuche mit Untererd- und Unterwasserantennen. Diese Arbeit gehörte wahrscheinlich zu den ersten Versuchen dieser Art in Europa bzw. der Welt. Auf Grund dieser Geheimversuche und deren Wichtigkeit für die illegale Aufrüstung ab 15. Juni 1934 Einstellung bei der Dt. Reichspost als Referendar. Assessorarbeit über „Drahtfunk“ zur Vermittlung abhörsicherer Funksprüche, die als „Anweisung zur Planung und Errichtung von Hochfrequenzdrahtfunkanlagen“ im Nov. 1937 in der Dt. Reichpost übernommen wurde.

1.9.1936 bis 30.9.1938 Post-Assessor in Speyer. Dort Mitarbeit beim Aufbau der geheimen Nachrichtenübermittlung für den Westwall.

Siehe hierzu Meyers Lexikon:
Westwall (Siegfriedlinie), 1938/39 erbautes Befestigungssystem an der W-Grenze des Dt. Reiches von Aachen bis Basel; Gegenstück zur frz. Maginotlinie.

Ende Juni 1938 durch das Reichspostministerium zu einem Einsatz von 10.8. bis 15.11. 1938 nach Spanien abkommandiert mit dem Auftrag, nachrichtentechnische Belange der Franco-Regierung mit den staatlichen Stellen und der Industrie in Deutschland zu koordinieren. Es wurden Standorte für die in Deutschland in Auftrag gegebenen neuen spanischen Sender durch fahrbare Sender und Messwagen durchgeführt. Vorher vom Stellvertreter des Führers, Admiral Dönitz, zu einer politischen Schulung für künftige höhere Beamte abkommandiert. Noch vor Beendigung des Lehrgangs zum Spanieneinsatz abberufen.

Am 1.10.1938 zum jüngsten Postrat des Dt. Reichs befördert, Versetzung in das Reichspostzentralamt nach Berlin. Dort für die Laufbahn eines Attache vorgesehen.
Leiter des Ressorts „Allgemeiner Funkdienst“. Vorsitzender des Prüfungsausschuss zur Abnahme von Flugfunkerprüfungen aller deutschen Verkehrsflieger (eine Tätigkeit, die er auch nach dem Krieg in den 60iger Jahren ausübte und damals jeden deutschen Flieger prüfte) Aufbau und Überwachung von Sendeanlagen, z. B. des damals größten Rundfunksenders Europas bei Leipzig. Direkt nach Kriegsausbruch dienstliche Aufträge im Interesse der Wehrmacht mit Sondervollmachten zur Sicherstellung des Funk- und Sendenetzes in besetzten Gebieten.

Im November 1939 Besetzung, Sicherung und Wiederinstandsetzung der polnischen Großfunkstation (Regierungssender) in Radom. Ab Mai 1940 bis Mitte 1941 Leiter der Deutschen Funküberwachung mit über das ganze Reich und die besetzten Gebiete verteilten Funkstationen, die zentral von Berlin aus gesteuert wurden. Diese Funküberwachung kontrollierte bis Kriegsende ca. 100.000 Sender. In einem „Funkspiegel“ wurden täglich ausgesuchte Nachrichten aus aller Welt aufbereitet und an die Reichsführung nach Berlin weiter geleitet. Ab November 1940 abkommandiert zur Prüfung des Funküberwachungsnetzes in Holland und zur Eingliederung in das Funküberwachungsnetz der Deutschen Reichspost als Funksachbearbeiter beim Deutschen Fernmeldeamt in Den Haag.

Hier wurde in Noordwijkerhout der Code der Alliierten geknackt und man konnte den gesamten Funkverkehr zwischen Churchill und Roosevelt abhören. Vater war also mindestens einen Tag vor der Reichsführung informiert!

Ab 1. Februar 1942 abgeordnet zur Beschäftigung bei der Deutschen Dienstpost in den besetzten Niederlanden.

Anfang 1943 Leiter der Abteilung Technik bei den Deutschen Dienstpost Niederlande (DDPN), dabei gleichzeitig Telegrafenbevollmächtigter und stellvertretender Chef der DDPN. Dort bei Kriegsende direkt unterstellt dem Reichskommissar für die besetzten niederländischen Gebiete, Seyß-Inquart, über den Generalkommissar für Finanz und Wirtschaft, Abteilung Post- und Fernmeldewesen und der Oberpostdirektion Düsseldorf.

Siehe hierzu Meyers Lexikon:
Seyß-Inquart, Arthur, (* Stannern, heute Stonarov bei Iglau 22. 7. 1892, †Nürnberg 16. 10. 1946 hingerichtet), österr. Politiker (NSDAP). Auf ein Ultimatum Hitlers ab 11. 3. 1938 Bundeskanzler; ermöglichte den dt. Einmarsch und vollzog den Anschluss Österreichs; 1938/39 Reichsstatthalter für die Ostmark; als Reichskommissar für die besetzten Niederlande (1940 bis 1945) führend mitverantwortlich für die Ausbeutung des niederl. Arbeitskräfte- und Wirtschaftspotenzials und für Judendeportationen; 1946 zum Tode verurteilt.

Vater erzählt über ihn: Ein netter, kunstsinniger Mensch, mit dem ich mich gut verstand. Kurz vor Kriegsende sagte er ihm: „Berkner, wenn sie mich erwischen, hängen sie mich auf“. Er hatte Recht, das taten sie.

Im Mai 1942 Ernennung zum jüngsten Oberpostrat des Dt. Reichs, gegen Kriegsende nach dem Tod seines Vorgesetzten durch Partisanenattentat Chef der Deutschen Dienstpost in den Niederlanden. Hier hatte er alle Fragen des Nachrichtenwesens zu bearbeiten und den Bau des gesamten Wehrmachtsnachrichtennetzes in den Niederlanden durchzuführen. Ihm unterstanden bis zu 4000 Personen, deren Tätigkeiten er koordinierte.

Im April 1945 wickelte er die Kapitulation und Rückführung aller Postkräfte aus den Niederlanden ab. Bis Oktober 1945 von Oldenburg aus Betreuung und Entlassung der Mitarbeiter aus Gefangenenlagern sowie Rückführung in die Heimat. Danach Internierung im Polizeigefängnis Düsseldorf, dort gemeinsame Zelle mit Vicco Bülow von Schwante, dem ehemaligen Protokollchef des 3. Reichs.

Siehe hierzu Meyers Lexikon:
Bülow Bernhard Heinrich Martin Fürst von (seit 1905), * Klein-Flottbek (heute zu Hamburg) 3. 5. 1849, † Rom 28. 10. 1929, dt. Politiker. 1900-09 Reichskanzler und preuß. Min.-Präs.; seine unentschlossene Haltung gegenüber Großbrit. und Russland (Politik der ›freien Hand‹) führte zus. mit dem Flottenbau zur weltpolit. Isolierung des Dt. Reiches. Innenpolitisch trat B. durch die Bildung des konservativ-liberalen ›Bülow-Blocks‹ im Reichstag hervor. B. trat nach der Daily-Telegraph-Affäre aufgrund des Zerbrechens des ›Bülow-Blocks‹ an der Wahlrechtsreform sowie der Ablehnung der Reichsfinanzreform 1909 zurück.

Im November 1945 Entlassung aus dem Staatsdienst aufgrund der Bestimmungen der Militärregierung der britischen Zone.

Danach Angestellter bei der Reichspost-Oberdirektion in Bad Salzuflen zur Abwicklung der Angelegenheiten der DDPN. Freiwillige Kündigung dieses Angestelltenverhältnisses im Juni 1946 zur Durchführung des Entnazifizierungsverfahrens.

Nach Berufung am 11. Juni 1948 vom Sonderbeauftragten für die Entnazifizierung des Landes Nordrhein-Westfalen durch Einreihungsbescheid in Kategorie IV endgültig entnazifiziert, womit alle Beschäftigungseinschränkungen aufgehoben wurden.

Am 28.4.1948 vom Post- und Fernemeldetechnischen Zentralamt Hamburg als technischer Angestellter bei der Oberpostdirektion Hannover befristet eingestellt, um beim Rundfunksender Hemmingen (bei Hannover) des NWDR als Rundfunktechniker neuentwickelte und unerprobte Sendelemente in Betrieb zu nehmen. Dort Übernahme der funktechnischen Bauaufsicht. Wegen der Berliner Blockade war Dank der politischen Spannungen und des benötigten Spezialwissens eine längerfristige Beschäftigung gewährleistet, um den Sender schnellstmöglich betriebsfertig zu stellen. Da die Fa. Telefunken aus Berlin Teile der Ausrüstung geliefert hatte, war während der Blockade keine termingerechte Lieferung mehr möglich, da nur auf dem Luftwege Material von und nach Berlin geliefert werden konnte und andere Prioritäten bestanden.

Siehe hierzu Meyers Lexikon:
Berliner Blockade, von der Sowjetunion verhängte Sperrung der Land- und Wasserwege für den Personen- und Güterverkehr zw. Berlin (West) und Westdeutschland vom 24. 6. 1948 bis 12. 5. 1949, während der die Versorgung von Berlin (West) durch die von den USA und Großbritannien errichtete Luftbrücke sichergestellt werden konnte (in fast 200.000 Flügen wurden 1,44 Mio. t Güter eingeflogen)

Einweihung des Senders am 1. Juni 1949. Danach Weiterbeschäftigung zur Rechnungsabwicklung.

Nach Abschluß der Übergabeverhandlungen am 24. Februar 1950 Berufung an das Fernmelde-Technische-Zentralamt in Darmstadt, um dort am 27. Februar 1950 die Dienstgeschäfte als Technischer Angestellter aufzunehmen.

Am 1. April 1950 durch Bundespräsident Theodor Heuss zum zweiten Mal zum Postrat auf Lebenszeit ernannt. Dort ab 29. August 1950 zum Leiter des Referats „Funkbetrieb“ bestimmt.

Am 13.Oktober 1955 durch Bundespräsident Theodor Heuss zum zweiten Mal zum Oberpostrat auf Lebenszeit ernannt.

Von 16. August bis 20. Dezember 1959 Teilnehmer für Deutschland auf der Funkverwaltungskonferenz in Genf zur Verteilung des Frequenzsspektrums auf die einzelnen Nationen der Welt.

Am 13.Februar 1967 durch Bundespräsident Heinrich Lübke zum Oberpostdirektor ernannt.

Am 2. Dezember 1972 durch Bundespräsident Gustav Heinemann zum leitenden Oberpostdirektor befördert.

Zur Tätigkeit des Referats „Funkbetrieb“ gehörte die gesamte Funküberwachung auf allen Frequenzen.

Beispielhaft für weitere Aktivitäten sei genannt
– der Seefunk, der über Kurzwelle die Schiffe in der ganzen Welt verband,
– der Einsatz anlässlich der Fussballweltmeisterschaft in Chile, die damals über Kurzwelle im Radio übertragen wurde,
– der mobile Landfunk,
– der „UKW-Rheinfunk“, der auf Initiative von Konrad Adenauer nach dem Krieg aufgebaut wurde, als noch nicht Bonn, sondern Frankfurt die neue Hauptstadt werden sollte und „der Alte“ mit seiner Heimat Rhöndorf in Kontakt bleiben wollte. Profitiert hat davon dann die Rheinschifffahrt, die dieses Kommunikationsmittel dann übernahm,
– viele aufgebaute Sendeanlagen wie z.B. der Sender Mainflingen bei Seligenstadt/Main, der z.B. heute das Funkzeichen für Funkuhren ausstrahlt.

Am 1. Juni 1973 in den Ruhestand versetzt.

Konnte am 3. Mai 2003 seinen 95. Geburtstag in seiner Wohnung in Giessen feiern.

Ein interessantes Leben, das am 25. Dezember 2004 um 11.25 h zu Ende ging

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